Das Bundesgericht hat sich in seinem Urteil (8C_184/2023) vom 29.05.2024 mit der Frage befasst, ab wann die relative Verwirkungsfrist bei zu Unrecht bezogenen Rentenleistungen zu laufen beginnt.
Der Beschwerdeführer machte geltend, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie den Beginn des Fristenlaufs erst mit der sicheren Kenntnis der IV-Stelle vom Rückerstattungsanspruch bejaht habe. Denn sie hätte bereits zuvor, bei Aufwendung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit, die Möglichkeit gehabt, zu erkennen, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung bestanden haben.
Praxisgemäss ist unter der in Art. 25 Abs. 2 ATSG enthaltenen Wendung «nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat» der Zeitpunkt zu verstehen, in dem die Verwaltung bei Beachtung der gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung bestehen. Mit dieser Praxis sollte initial überwunden werden, dass andere Grundsätze zur Anwendung gelangen, je nachdem ob das Versäumnis beim Versicherungsträger oder bei der versicherten Person liegt.
Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesgericht jedoch in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Rückforderung infolge Rentenaufhebung regelmässig abgewichen, allerdings ohne weitere Begründung. In einer solchen Konstellation ist in der Regel die Rechtskraft der Rentenaufhebung als fristauslösendes Moment anzusehen.
Bei der Abwägung der beiden sich widersprechenden Rechtsprechungen stellt das Bundesgericht fest, dass die Bestrebungen der erstgenannten Praxis mit der neueren Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen sind. Sinn der ersten Praxis war es gerade, den Beginn der Verwirkungsfrist nicht mehr unterschiedlich zu bestimmen. Für die erstgenannte Rechtsprechung sprechen aus Sicht des Bundesgerichts nach wie vor verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass der Beginn der Verwirkungsfrist nicht in das Belieben einer Partei (hier des Versicherungsträgers) gestellt werden darf.
Das Bundesgericht kommt deshalb zum Schluss, dass an der abweichenden neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Rückforderung von unrechtmässigen Leistungen infolge Rentenaufhebung nicht mehr festgehalten werden kann. Der Beginn der relativen Verwirkungsfrist ist somit auch in diesen Fällen künftig stets aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen, und zwar nach Massgabe der Kenntnisnahme bei gebotener und zumutbarer Aufmerksamkeit.
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