Das Bundesgericht hat seine bisherige Rechtsprechung zum Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung bei Adipositas geändert (Urteil 8C_104/2024 vom 22. Oktober 2024). Bislang wurde davon ausgegangen, dass die grundsätzliche Behandelbarkeit von Adipositas (starkem Übergewicht) einem Anspruch auf eine IV-Rente grundsätzlich entgegensteht. Ein Rentenanspruch wurde nur dann anerkannt, wenn die Adipositas schwerwiegende gesundheitliche Schäden verursachte oder als Folge solcher Schäden auftrat. Diese Rechtsprechung basierte auf der Überzeugung, dass Adipositas willentlich überwunden werden kann.
Mit dem neuen Urteil wird Adipositas als eine chronische, komplexe somatische (körperliche) Krankheit anerkannt, deren grundsätzliche Behandelbarkeit nicht mehr automatisch den Anspruch auf eine IV-Rente ausschliesst. Entscheidend ist vielmehr eine individuelle Prüfung, wie sich die Krankheit konkret auf die Arbeitsfähigkeit der betroffenen Person auswirkt.
Betroffene Personen bleiben jedoch weiterhin verpflichtet, aktiv an der Verbesserung ihrer Situation mitzuwirken. Im Rahmen der sogenannten Schadenminderungspflicht wird von ihnen verlangt, zumutbare Behandlungen durchzuführen, die dazu beitragen können, die Beeinträchtigungen zu verringern. Namentlich handelt es sich dabei um diätische oder medikamentöse Therapien, Verhaltenstherapien sowie Bewegungsprogramme.
Im konkreten Fall hat das Bundesgericht die Beschwerde einer Frau mit Adipositas Grad III (BMI von 58) teilweise gutgeheissen. Die Frau hatte erfolglos eine IV-Rente beantragt, da sie ihre Arbeitsfähigkeit aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht vollständig wiederherstellen konnte. Die IV-Stelle muss den Fall nun unter Berücksichtigung weiterer medizinischer Abklärungen und der Schadenminderungspflicht erneut prüfen.
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